Dr. Gabriel Bartl (Centre Marc Bloch)
Ökologische Nachhaltigkeit zwischen Evidenz und Kontroverse
Mit Blick auf die bisweilen zu beobachtende epistemische Arroganz der Naturwissenschaften gegenüber den Sozial- und Geisteswissenschaften, stellt sich zudem die Frage, ob die naturwissenschaftlichen Kontrollphantasien in einer von Unsicherheit, Uneindeutigkeit und Ambivalenz gekennzeichneten „Zweiten Moderne“ überhaupt realistisch und zielführend erscheinen, um die multiplen Krisen unserer Zeit zu bewältigen. Denn vermeintlich eindeutige naturwissenschaftliche Erkenntnisse zum Zustand des Planeten führen nicht automatisch zu eindeutigen und universell gültigen politischen Handlungsstrategien – auch entgegen der Forderung „follow the science“. Dieses Missverständnis basiert nicht zuletzt auf einem fehlgeleiteten Verständnis von Gesellschaft als homogener Einheit.
Anstatt einzig und allein auf naturwissenschaftliche Objektivität und Evidenz zu vertrauen und dabei gesellschaftliche Wahrnehmungen, Affekte, Strukturen, Polarisierungen, Paradoxien, aber auch Potenziale einfach zu ignorieren, wäre vielmehr darüber nachzudenken, ob nicht ein experimenteller, partizipativer Umgang mit Unsicherheiten und Krisen ratsam erschiene. Es müsste folglich darum gehen, die Pluralität an Ideen und Möglichkeiten einzufangen, um somit die Kreativität und Innovationsfähigkeit gesellschaftlicher Diversität besser für die Begegnung der ökologischen Herausforderungen nutzbar zu machen. In dieser Sichtweise erscheinen Pluralität und Multiperspektivität als wertvolle Voraussetzungen einer Bottom-up-gesteuerten, und dadurch auch im sozialen Sinne nachhaltigen Klimapolitik, die nicht davor zurückschreckt, den potenziellen Konfliktlinien zwischen einzelnen sozialen Gruppen mehr Raum zu verschaffen. Denn in einer kontrovers angelegten Verständigung über den Rahmen von Nachhaltigkeit mitsamt der hier zu berücksichtigenden Heterogenität an Interessen, Bedürfnissen und Zielen, liegt – so die These meines Beitrages – der Schlüssel für eine integrative und demokratisch legitimierte Politik der Nachhaltigkeit.
About:
Dr. Gabriel Bartl ist Soziologe und (Un-)Sicherheitsforscher. Derzeit beschäftigt er sich im Rahmen des Forschungsprojekts „Multiple Crises” mit den Dynamiken zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik beim Umgang mit globalen Krisenphänomenen wie Covid-19 und der Klimakrise.
Wir danken allen Unterstützer:innen: Dieses Projekt wird finanziert von der Andrea von Braun Stiftung, der Hamburg Research Academy, der Claussen Simon Stiftung sowie der Hamburger Klimaschutzstiftung mit der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) aus den Mitteln des #moinzukunft Hamburger Klimafonds.
Wir danken allen Unterstützer:innen: Dieses Projekt wird finanziert von der Andrea von Braun Stiftung, der Hamburg Research Academy, der Claussen Simon Stiftung sowie der Hamburger Klimaschutzstiftung mit der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) aus den Mitteln des #moinzukunft Hamburger Klimafonds.