Angst Ekel Scheitern
Angst Ekel Scheitern
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Lukasz Lendzinski

RE, PRE und UP

Materialkreisläufe zwischen Innovation und Komplikation
Am Projektbeispiel Info Pavillon zum Hamburger Architektur Sommer 2023


Vor dem Hintergrund des ressourcenschonenden Bauens beschäftigen wir uns in unserer  künstlerische Arbeitsweise in Projekten u. a. mit der Zirkularität von Material. In Installationen, Mikroarchitekturen und Ausstellungsdesigns thematisieren wir die Herkunft und die  Weiterverwendung von Baustoffen und anderen Materialien. So werden beispielsweise die allgemein bekannten Prinzipien des Re- und Up-cyclings, welche ein Material nach der  vorgesehenen Nutzung in eine neue Nutzung überführen, um das Prinzip des Pre-cyclings  erweitert. Das Pre-cycling-Prinzip sieht vor, dass ein Material z.B. industrielles Halbzeug, genutzt  wird, bevor es in seiner klassisch vorgesehenen Nutzung zum Einsatz kommt. Entgegen des  oftmals einschlägigen Recycling-Charakters können so beim Pre-cycling mitunter komplett  neuwertige Materialien zum Einsatz kommen. Außerdem kann durch den Umstand des  „Ausleihens“ des Materials eine vergleichsweise viel größere Menge an Material für temporäre  Installationen genutzt werden, als beim Kauf ebendieser, was zu einer beeindruckenden  Materialwucht führen kann, welche Projektbudgets sonst oftmals nicht zulassen. Zusätzlich führt  der besondere Umgang mit den geliehenen Materialien zu einer Konstruktionsweise, die sich der  Maxime der Unverletzbarkeit des Materials stellt. Die aus dieser Herausforderung heraus entwickelten Materialfügungen führen zu einer besonderen Ästhetik unserer Installationen. 
Das „Neuorganisieren“ von gängigen Materialströmen, an die der Pre-cycling Anspruch geknüpft  ist, setzt eine besondere Bereitschaft aller Projektbeteiligten voraus, bekannte Strukturen zu  hinterfragen und gegebenenfalls zu verlassen.  
Am Beispiel des Info Pavillons zeigt sich, dass innovative Projekte immer wieder mit Momenten  des drohenden Scheiterns konfrontiert werden. Seien es beispielsweise: fehlende  Kooperationspartner, schwierige Materialakquise, die Nachnutzung der Materialien,  baukonstruktive Vorgabe akquirierter Materialien, geltendes Bau- und Vergaberecht etc.  Die Herausforderung ist, diese Hürden und vermeintlichen Sackgassen wiederum in innovative  Lösungswege umzuleiten, dranzubleiben und die Reibungsanlässe zu nutzen, dem Entwurf  dahingehend eine signifikante Ästhetik zu verleihen. So ist der Entwurf des Info Pavillons  maßgeblich von 6 m langen Fensterprofilen und Holzabschnitte bestimmter Maße geprägt, die  von den Materialgebern als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurden.  
Im besten Fall schafft es ein Entwurf in seinem Endergebnis, die Verhandlungsvorgänge des  vorangegangenen Prozesses abzubilden, sie zu kommunizieren und auf die angewandte  „Neuorganisation“ hinzuweisen. 
 
Wir sind nicht gescheitert, habe alle Hürden bis zur Realisierung sportlich genommen: Der Info  Pavillon steht auf den Magellan-Terrassen der HafenCity Hamburg und kann vom 3. Mai bis 31.  Juli im Rahmen des Hamburger Architektur Sommer 2023 besucht werden.

 

About: 

Lukasz Lendzinski hat vor seinem Architektur Studium Tischler gelernt. Zusammen mit Peter Weigand und Alper Kazokoglu bilden sie das „umschichten“ Kollektiv.

Angst, Ekel, Scheitern – Ein Symposium zu den blinden Flecken der Nachhaltigkeit